Am Sonntag, den 15. Dezember 2013, fand
sich eine stattliche Gruppe von Kunstinteressierten zu einer Führung
mit der Kunsthistorikerin Frau Dr. Gabriele Wabnitz im Neubau des
Lenbachhauses in München ein. Thema war der „Blaue Reiter“, eine
der bedeutendsten Künstlergruppen der Avantgarde zu Beginn des 20.
Jahrhunderts. Der Treffpunkt Kultur e.V. Hohenkammer hatte diese
Führung aufgrund des großen Interesses zum zweiten Mal angeboten
und Frau Dr. Wabnitz aus Hohenkammer freute sich sehr, so viele
Teilnehmer begrüßen zu dürfen.
Noch ehe man sich den
expressionistischen Kostbarkeiten der Maler Kandinsky, Münter, Marc,
Macke, Jawlensky und Klee zuwenden konnte, zog einen bereits im
Eingangsbereich des Neubaus ein gewaltiges Kunstobjekt in seinen
Bann. Wie eine Windhose saugt die von der Decke herabstürzende
Skulptur im zentralen Foyer das Publikum an. Der
Installationskünstler Olafur Eliasson hat diese tonnenschwere Arbeit
aus poliertem Metall und 450 farbig-dreickigen Glasscheiben
geschaffen und das trotz seiner immensen Größe schwungvoll wirkende
„Wirbelwerk“ verbreitet ungewöhnliche Lichtstimmungen und lässt
Schatten und Spiegelreflexe über die Wände der Halle tanzen.
Die gesamte, durch den Erweiterungsbau
hinzugewonnene zweite Etage ist den Malern des „Blauen Reiter“
gewidmet, wobei das Lenbachhaus die weltweit größte Sammlung zur
Kunst dieses Malerkreises besitzt. Diesen Umstand verdankt das Museum
der großzügigen Stiftung von Gabriele Münter, die 1957 anlässlich
ihres 80. Geburtstags über 1000 Werke des „Blauen Reiter“ dem
Lenbachhaus zum Geschenk machte. Dadurch gewann das Museum
internationale Strahlkraft und war fortan der privilegierte
Schauplatz, um die schärfste Wende in der Kunst der Moderne
nachzuvollziehen. und sich die Energie zu vergegenwärtigen, mit der
Kandinsky & Co. die Tradition aushebelten.
Wohnlichkeit und Behaglichkeit sind die
Schlüsselworte des Gestaltungskonzepts beim Neubau des
Lenbachhauses. Dies ist insbesondere an der intimen Abfolge von Sälen
und Kabinetten für den „Blauen Reiter“ ablesbar, die wir im
Rahmen unserer Führung anschließend ausführlich genießen durften.
Dass der Kreis des „Blauen Reiter“ eine spezifische Art von
strahlend farbiger, expressiver und zum Teil abstrahierender
Formensprache entwickelte, davon konnten wir uns bei unserem Rundgang
und Betrachten der vielen Kunstwerke überzeugen.
Allen voran war Wassily Kandinsky (1866
– 1944) ein Vertreter der abstrakten Kunst. Er besaß eine
außergewöhnliche bildnerische Intelligenz und hatte ein
ausgeprägtes Empfinden für Farbe und Form. Als Synästhetiker
empfand er Farben nicht nur als optische Reize, sondern ordnete den
Farben auch Klänge, Gerüche, Formen usw. zu. Mit dem zunehmenden
Abstraktionsgrad seiner Bilder versuchte er Bilder zu malen, wie man
Musik komponiert. Die Grundidee dabei ist das Hören von Farben bzw.
das Sehen von Klängen. Für Kandinskys künstlerische
Weiterentwicklung war Murnau am Staffelsee eine entscheidende
Station.
Franz Marc (1880
– 1916) wurde 1916 in die Liste der bedeutendsten Künstler
Deutschlands aufgenommen. Er verwendete Materialien wie Ölfarbe,
Guache, Bleistift, Aquarellfarben und schuf Holzschnitte. Seine
bevorzugten Motive waren Tiere als Sinnbild von Ursprünglichkeit und
Reinheit, da sie die Idee der Schöpfung verkörpern und in Einklang
mit der Natur leben.
Er drückte mit seinen Bildern seine
Utopie einer paradiesischen Welt aus.
Der Farbeinsatz in seinen Werken ist
nicht nur expressiv, sondern auch symbolisch, da Marc eigene
Farbgesetze aufstellte. Denken und Werk von Marc sind durch
Naturverbundenheit geprägt und spiegeln einen in der Tradition der
deutschen Romantik verwurzelten Naturbegriff wider, in der
beispielsweise Pferd oder Reh zum Symbol des Spirituellen werden.
August Macke (1887 – 1914) war offen
für die vielfältigen künstlerischen Strömungen seiner Zeit und
experimentierte in seinen Bildern mit den neuen Malstilen. Während
seines Kontaktes mit dem „Blauen Reiter“ abstrahierte er seine
Malweise nach dem Vorbild von Kandinsky, Marc und Münter. Seine
Gemälde weisen nun eine leuchtende Farbigkeit und vereinfachte
Formen auf, die häufig mit einer dunklen Linie umrandet sind. Die
Raumtiefe tritt zugunsten einer flächigen Wirkung zurück und häufig
ist ein Interesse an Ornamentalem zu erkennen. Der Sturm, Indianer
auf Pferden.
Gabriele Münter (1877 – 1962)
rettete einen bedeutenden Teil der Werke Kandinskys durch die Kriegs-
und Nachkriegszeit und machte sie später, zusammen mit Bildern der
Künstlerfreunde des „Blauen Reiter“ und eigenen Gemälden, der
Öffentlichkeit zugänglich. 1901 lernte Münter an der kleinen,
fortschrittlichen Kunstschule „Phalanx“ Wassily Kandinsky kennen,
mit dem sie sich während eines Malaufenthaltes 1903 in Kallmünz
verlobte. 1909 erwarb sie in Murnau ein Haus, das im Volksmund noch
heute das „Russenhaus“ genannt wird. Dort lebten und arbeiteten
Münter und Kandinsky in den Sommermonaten bis 1914, sofern sie sich
nicht in München aufhielten oder auf Reisen waren. In dieser Zeit
empfingen sie dort viele Besucher und Malerfreunde wie Werefkin,
Jawlenski, Marc und Macke. Unter dem stilistischen und maltechnischen
Einfluss von Werefkin und Jawlenski entwickelte sich Münter zu einer
der bedeutendsten deutschen expressionistischen Malerinnen.
Dass die Führung durch die Kunstwerke
des „Blauen Reiter“ ein höchst interessanter und doch äußerst
kurzweiliger Rundgang für die Teilnehmer wurde, verdanken wir Frau
Dr. Wabnitz, die uns mit ihrer Mischung aus dichter Information über
Leben und Werk der Künstler, hie und da gepaart mit Fragen an die
Teilnehmer sowie gespickt mit einer wohldosierten Portion Humor wie
immer begeisterte.
Elisabeth Deml
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