Montag, 12. Mai 2014

Der Blaue Reiter – ein Rückblick


Am Sonntag, den 15. Dezember 2013, fand sich eine stattliche Gruppe von Kunstinteressierten zu einer Führung mit der Kunsthistorikerin Frau Dr. Gabriele Wabnitz im Neubau des Lenbachhauses in München ein. Thema war der „Blaue Reiter“, eine der bedeutendsten Künstlergruppen der Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Treffpunkt Kultur e.V. Hohenkammer hatte diese Führung aufgrund des großen Interesses zum zweiten Mal angeboten und Frau Dr. Wabnitz aus Hohenkammer freute sich sehr, so viele Teilnehmer begrüßen zu dürfen.

Noch ehe man sich den expressionistischen Kostbarkeiten der Maler Kandinsky, Münter, Marc, Macke, Jawlensky und Klee zuwenden konnte, zog einen bereits im Eingangsbereich des Neubaus ein gewaltiges Kunstobjekt in seinen Bann. Wie eine Windhose saugt die von der Decke herabstürzende Skulptur im zentralen Foyer das Publikum an. Der Installationskünstler Olafur Eliasson hat diese tonnenschwere Arbeit aus poliertem Metall und 450 farbig-dreickigen Glasscheiben geschaffen und das trotz seiner immensen Größe schwungvoll wirkende „Wirbelwerk“ verbreitet ungewöhnliche Lichtstimmungen und lässt Schatten und Spiegelreflexe über die Wände der Halle tanzen.

Die gesamte, durch den Erweiterungsbau hinzugewonnene zweite Etage ist den Malern des „Blauen Reiter“ gewidmet, wobei das Lenbachhaus die weltweit größte Sammlung zur Kunst dieses Malerkreises besitzt. Diesen Umstand verdankt das Museum der großzügigen Stiftung von Gabriele Münter, die 1957 anlässlich ihres 80. Geburtstags über 1000 Werke des „Blauen Reiter“ dem Lenbachhaus zum Geschenk machte. Dadurch gewann das Museum internationale Strahlkraft und war fortan der privilegierte Schauplatz, um die schärfste Wende in der Kunst der Moderne nachzuvollziehen. und sich die Energie zu vergegenwärtigen, mit der Kandinsky & Co. die Tradition aushebelten.

Wohnlichkeit und Behaglichkeit sind die Schlüsselworte des Gestaltungskonzepts beim Neubau des Lenbachhauses. Dies ist insbesondere an der intimen Abfolge von Sälen und Kabinetten für den „Blauen Reiter“ ablesbar, die wir im Rahmen unserer Führung anschließend ausführlich genießen durften. Dass der Kreis des „Blauen Reiter“ eine spezifische Art von strahlend farbiger, expressiver und zum Teil abstrahierender Formensprache entwickelte, davon konnten wir uns bei unserem Rundgang und Betrachten der vielen Kunstwerke überzeugen.

Allen voran war Wassily Kandinsky (1866 – 1944) ein Vertreter der abstrakten Kunst. Er besaß eine außergewöhnliche bildnerische Intelligenz und hatte ein ausgeprägtes Empfinden für Farbe und Form. Als Synästhetiker empfand er Farben nicht nur als optische Reize, sondern ordnete den Farben auch Klänge, Gerüche, Formen usw. zu. Mit dem zunehmenden Abstraktionsgrad seiner Bilder versuchte er Bilder zu malen, wie man Musik komponiert. Die Grundidee dabei ist das Hören von Farben bzw. das Sehen von Klängen. Für Kandinskys künstlerische Weiterentwicklung war Murnau am Staffelsee eine entscheidende Station.

Franz Marc (1880 – 1916) wurde 1916 in die Liste der bedeutendsten Künstler Deutschlands aufgenommen. Er verwendete Materialien wie Ölfarbe, Guache, Bleistift, Aquarellfarben und schuf Holzschnitte. Seine bevorzugten Motive waren Tiere als Sinnbild von Ursprünglichkeit und Reinheit, da sie die Idee der Schöpfung verkörpern und in Einklang mit der Natur leben.
Er drückte mit seinen Bildern seine Utopie einer paradiesischen Welt aus.

Der Farbeinsatz in seinen Werken ist nicht nur expressiv, sondern auch symbolisch, da Marc eigene Farbgesetze aufstellte. Denken und Werk von Marc sind durch Naturverbundenheit geprägt und spiegeln einen in der Tradition der deutschen Romantik verwurzelten Naturbegriff wider, in der beispielsweise Pferd oder Reh zum Symbol des Spirituellen werden.

August Macke (1887 – 1914) war offen für die vielfältigen künstlerischen Strömungen seiner Zeit und experimentierte in seinen Bildern mit den neuen Malstilen. Während seines Kontaktes mit dem „Blauen Reiter“ abstrahierte er seine Malweise nach dem Vorbild von Kandinsky, Marc und Münter. Seine Gemälde weisen nun eine leuchtende Farbigkeit und vereinfachte Formen auf, die häufig mit einer dunklen Linie umrandet sind. Die Raumtiefe tritt zugunsten einer flächigen Wirkung zurück und häufig ist ein Interesse an Ornamentalem zu erkennen. Der Sturm, Indianer auf Pferden.

Gabriele Münter (1877 – 1962) rettete einen bedeutenden Teil der Werke Kandinskys durch die Kriegs- und Nachkriegszeit und machte sie später, zusammen mit Bildern der Künstlerfreunde des „Blauen Reiter“ und eigenen Gemälden, der Öffentlichkeit zugänglich. 1901 lernte Münter an der kleinen, fortschrittlichen Kunstschule „Phalanx“ Wassily Kandinsky kennen, mit dem sie sich während eines Malaufenthaltes 1903 in Kallmünz verlobte. 1909 erwarb sie in Murnau ein Haus, das im Volksmund noch heute das „Russenhaus“ genannt wird. Dort lebten und arbeiteten Münter und Kandinsky in den Sommermonaten bis 1914, sofern sie sich nicht in München aufhielten oder auf Reisen waren. In dieser Zeit empfingen sie dort viele Besucher und Malerfreunde wie Werefkin, Jawlenski, Marc und Macke. Unter dem stilistischen und maltechnischen Einfluss von Werefkin und Jawlenski entwickelte sich Münter zu einer der bedeutendsten deutschen expressionistischen Malerinnen.

Dass die Führung durch die Kunstwerke des „Blauen Reiter“ ein höchst interessanter und doch äußerst kurzweiliger Rundgang für die Teilnehmer wurde, verdanken wir Frau Dr. Wabnitz, die uns mit ihrer Mischung aus dichter Information über Leben und Werk der Künstler, hie und da gepaart mit Fragen an die Teilnehmer sowie gespickt mit einer wohldosierten Portion Humor wie immer begeisterte.

Elisabeth Deml

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